Malerei

Vernabelt

11 Gemälde

60 x 105 cm

Ei-Tempera auf Leinwand

2004

 

Mutter-Sein.

Das Gefühl der Vernabelung mit dem Kind auch über die Geburt hinaus. Ein Teil bleibt verbunden in jeder Lebenssituation.

 

vernabelt

 

einmal bin ich weit gelaufen

den ganzen tag eigentlich

ohne zu wissen, wo ich hin wollte

 

am könig kam ich vorbei

und an den krokodilen auch

und geregnet hat´s manchmal

am ende habe ich zuerst gar nicht gemerkt, daß ich angekommen war

 

allein die pinsel hatten sich versteckt unter dem drachenfelsen

zwischen rittern und jägern, die den fuchs jagen

(aber das totschiessen macht doch angst)

in den farben zuhause sein, das hatte mal jemand geschrieben.

in den farben zuhause sein.

jetzt.

schau hin. nenn die flecken am weg. mit seinen farben.

was wollte ich denn?

der gang den berg hinunter erwies sich als einfacher, als vorher gesehen. einige male wurde ich am ausgang von tigern und tränen aufgehalten. heute nicht!

nein?

heute nicht. geh nicht.

oder das abenteuer durch das feuer.

das mit dem feuer kam so:

als der könig kam, hatte er das licht mitgebracht. das machte mich hell und schön.

so ganz. innen auch. es suchte sich seinen weg, fand so recht keine form, blieb dann bei mir

das war schön, aber doch auch ziemlich schmerzhaft. so schien es mal hier, mal unten links, im herzen hat es sich ausgeruht.

wie kann das gehen?

der abfluss war verstopft und ich holte den roten gummiabflussbefreier, laut hat´s geblubbert, die handwerker mussten kommen und halfen nach.

der schreiner musste den boden herausnehmen und ersetzen. die maurer fanden ein loch in der wand. der elektriker reparierte die spülmaschine.

das war laut und aufregend.

ich stand dabei mit dem feuer, dass sich nun in den letzten winkel verkrochen hatte. es wollte doch gar nicht gehen! und ich liess es ja auch nicht.

also begleitete es mich.

im atelier dann die mutter.

„was tust du denn hier?“

„das ist doch nicht dein ernst“

was soll denn das. immer diese schmiererei. wollte ich doch auch eigentlich nicht, dachte ich.

wo ist sie denn, die schönheit?

soll es das nun sein? immer dagegen. ein schönes miteinander im einklang mit form und pinselführung im sanften dunst der untergehenden sonne!

mach doch! kannst du nicht!

was soll das?

die schönheit lässt sich nicht bemessen am widerschein der bekannten naturerscheinung.

und doch?

was ist natur?

das wesen vereint die dinge.

 

die sehnsucht nach dem zusammenhange hatte einst der schriftsteller formuliert, sei die kraft, die bestimmt

der zusammenhang ist möglich!

also ist eigentlich egal, was ich mache?

(dem interesse muss ein weg geöffnet werden) in jedem beliebigen motiv ist alles möglich.

das wesen webt die dinge, ist form und farbe und liegt ein wenig vor oder hinter dem bild.

 

der wilde tiger streichelte mir durchs gesicht und fordert nachdrückliche aufmerksamkeit.

 

so war das doch nicht gemeint.

löse ich mich auf? die kraft ist bei den bildern, wo doch der ritter in der schlacht steht und nach hilfe ruft.

 

böse mutter. rabenmutter ist nicht da, fliegt über das tal und räbt.

 

sei doch heil, komm nach hause, wir löschen das feuer, die fensterputzer werden schon helfen.

heraus damit. hauruck, abgeschnitten.

erst mal aufpäppeln, alles wird gut.

so also.

niemand will es löschen, doch wo ist der ort?

kann ich viele orte gleichzeitig sein?

 

im kreis gedrehte mutterschaft

veborgen zwischen anforderung und erwartung ( überhaupt: dazwischen.)

im kreis gedrehte mutterschaft – zentral

schwindlig im raum

wo ist innen, wo ist aussen

jede linie ist zwischen innen und aussen – die flächen stossen aneinader, an der grenze geschieht das eigentliche

der raum stülpt sich über und schreit mit der zeit

mutterschaft bleibt

 

kreuzweg auf der erde

leicht

leicht

kaum bodenkontakt in der schwere des seins

entwicklungen, technik, rasselnde rüstungen

weit weg und bedrohend den frieden?

 

wozu die bilder?

für M.?

für wen?

wen interessiert das?

wo bin ich?

finde ich letztlich (nur) mich,

oder die welt?

hineinfühlen, eine geschichte erzählen, zärtlich in der form sein,

durcharbeiten –

dann der sprung

ganz konkret

weg mit der farbe, die kontraste holen das bild

her mit dem schwarz, ich zerstöre alles –

und bleibe allein zurück

 

vernabelt

der anspruch am leben ist groß

der anspruch an sich kann groß sein, doch erwartungen werden geschürt ans leben. es soll auf einen zukommen

alles ist möglich, nimm auch du ein stück vom glück

alles ist möglich, ja die möglichkeiten überschütten und verkleben das leben (aber darum geht’s ja nicht)

die großmutter ist genügsam, betet und arbeitet und lebt zufrieden, trotz der mühen und der härte

dankbar, vernabelt mit dem lieben gott

sie schaut mir zu beim malen

gütig und verwundert

 

ganz tief versinken in die dunkelheit der göttin

eins sein mit mutter erde

dann, gestärkt und erkraftet daran weiter wachsen an seele und geist und körper

 

wie eine pflanze, die sich in der erde sammelt, ihre frucht, ihren samen in der erde überwintern läßt

eins sein mit mir und dem wesen

leben

du erkennen

( guck mal mama, MAMA!)?

wie weit kann der mensch sein und noch immer mensch sein-

oder mensch werden?

den gott loben und dankbar sein für das tägliche brot

 

alle eitelkeit erfordert zoll, leere, die nach innen geht

wahrhaftiges leben in freude und demut

 

butter, eier, milch, brot, möhren, nüsse für die kekse, waschpulver, koreander, rosendraht, nadeln

wann fahren wir denn?

wo ist der opa?

mama guck mal! ich seh dich!

nicht die blumen, pass auf! und die hände sollst du noch waschen. warte, ja, ich komme gleich. ich will auf deinen schoss.

warte, ich mach das nur gerade noch fertig, muss noch zur post und staubsaugen, dann hab ich ja zeit. und die waschmaschine leermachen. willst du mir nicht helfen?

hör doch, pass auf und nimm die pantoffeln mit.

wo darf ich denn drauf drücken? da? und wenn du da mal da oben hindrückst? wie sieht das dann aus? da nicht guck mal, ich hab ein haus gemalt!

wieviel zeit hat die sehnsucht?

 

eigentlich will ja niemand das licht löschen, wenn doch das gift ginge.

wenn der vulkan verlöscht ist bleibt die glut im innern und die verhärtete kruste aussen

irgendwann kann neues leben entstehen

wieviel sehnsucht hat die zeit?

am rand die neue farbe, form an form, das ganze sehen

sein

irgendwo zwischen händen bild und mitte sein

hellwach eintauchen, verschwinden im niemandsland, den bruch wagen

(wo soll das hinführen ist egal)

das gelb gewählt, malen, was schwarz? heraus, auch das gift geht

der kopf ist geneigt und fragend erstaunt leer

und die formen so voll und rund und schön

schweigend dankbar verschwindet die frage nach der schönheit und erstrahlt neu

 

malen bis an die schmerzgrenze

in naiver? offenheit

herausgestellt, dargestellt

 

Frauen Mütter

vernabelt

am rande des möglichen

die alte selbstverständlichkeit ist nicht mehr da

gehetzt, von aussen, termine bestimmen den tag

von innen, erwartungen zurren den „pädagogischen“ alltag

 

und doch –

voller liebe

am kind

und im aussen

mutter im zerissenen aussen

mutter natur!

ich rufe dich

altes, uraltes wissen

in schriller übereinkunft mit der heutigen welt

wie geht es miteinander?

 

allein das bewußtsein kann kräfte bilden

 

zwischen schönheit und häßlichkeit

kraftvoll und zurückgenommen

ganz anwesend

fraglos und fragil

 

als ich den weg gemacht hatte, weinte ich ein wenig und ging

weiter

 

 

 

was war geschehen? ich fragte P.

du bist größer und weicher geworden.

 

so?

was hat das mit der kunst zu tun?

durch das nadelör zwingt sich das neue.

dabei ist es so alt wie der anfang der welt.

das neue, welche vermessenheit im angesicht der größe

 

es duftet so herrlich und die welt ist schön

die weihnachtsfeier jährt sich wieder

der stern bleibt, das kind ist gewachsen in der mitte

 

 

 

also, dokumentation:

es geht um malerei

und ein bestimmtes sein in der welt

die überlegung, ein bestimmter mensch mit spezieller innen und aussenwahrnehmung bildete den anfang des fadens, der aufgenommen wurde

ein blaues gefühl, ein sicheres fühlen der bilder entstand

unterschiedliche themen und vorstellungen rankten sich um die zu malenden bilder

beinahe zufällig die motivwahl, ein modell mit kind

viele fotos wurden gemacht, die die grundlage für die formen bildeten

ein sicheres halten mit gleichzeitigem malen im leeren raum begann

 

die frage nach dem zwischenraum

die zeichnungen, wieder das motiv, suchender bleistift

dunkelheiten und helligkeit können linie oder fläche sein

jede linie bildet innen- und aussenkannte

von innen entlang der aussenkante unterwegs

                  Copyright: Stefanie Schmeink